Kinder in Regenbogenfamilien müssen abgesichert werden

Gastbeitrag von Ulle Schauws und Helge Limburg in WELT vom 24.06.2022

Wenn zwei Liebende ein Kind erwarten, ist Freude das stärkste Gefühl, was die meisten empfinden. Das teilen alle werdenden Eltern – egal, ob verheiratet oder nicht, ob als Heteropaar oder als zwei Mütter. Der Staat hat darum klugerweise jedem Kind das Recht auf zwei rechtliche Eltern gegeben. Denn dem Kindeswohl dient es unzweifelhaft, wenn zwei Eltern in der Pflicht sind, jegliche Fürsorge für ein Kind übernehmen zu müssen. Moderne Familienpolitik muss diesem Anspruch gerecht werden. Nur – in Deutschland sind wir da leider noch nicht angekommen.

Wenn ein Kind nämlich in eine Ehe oder Paarbeziehung von zwei Frauen geboren wird, so hat es zunächst nur einen rechtlichen Elternteil. Im Alltag bringt das einige Probleme mit sich. Beispielsweise darf formal nur die Person mit Sorgerecht das Kind von der Schule abholen oder im Krankheitsfall Informationen vom medizinischen Personal erhalten. Bei einem Tod der leiblichen Mutter bei der Geburt bestünde keinerlei rechtliche Beziehung zwischen dem Kind und der Partnerin der Mutter. Warum wird dies zu Lasten des Kindes in Kauf genommen?

Die Einführung der „Ehe für Alle“ 2017 war ein Meilenstein, sie schaffte jedoch nicht alle diskriminierenden Regelungen ab. Es fehlte nämlich die Gleichstellung für die Kinder in Regenbogenfamilien, die in der großen Mehrzahl aus zwei Müttern mit Kindern bestehen. Die damalige Koalition zog beim Familienrecht aber nicht nach und lehnte eine grüne Gesetzesinitiative zur Änderung des Abstammungsrechtes ab. Aber das echte Leben von Regenbogenfamilien geht weiter – jeden Tag, hierauf macht u.a. die Initiative „Nodoption“ aufmerksam. Inzwischen liegen einige Klagen von Regenbogenfamilien vor dem Bundesverfassungsgericht, die das Recht ihrer Kinder auf zwei Elternteile von Geburt an anstreben. Kluge Rechtspolitik wartet aber nicht ab, bis sie vom höchsten deutschen Gericht zu Modernisierungen gezwungen wird (wie es in der Vergangenheit zu oft der Fall war), sondern sie wird selbst aktiv. Als Ampelkoalition haben wir verabredet, das Familienrecht an die Realitäten von Familien in ihrer ganzen Vielfalt anzupassen.

Bis heute kann ein Mann gemäß § 1592 BGB auf drei Wegen zum zweiten gesetzlichen Elternteil werden: automatisch durch die Ehe mit der Mutter, durch eine Vaterschaftsanerkennung oder durch eine Vaterschaftsfeststellung. Bei den beiden ersten Optionen ist für den Staat völlig unerheblich, wer der tatsächliche biologische Vater ist. Denn dem Staat ist vor allem die Absicherung des Kindes mit zwei Eltern wichtig. Im Falle eines Paares mit einer zweiten Mutter oder einer Person mit dem Geschlechtseintrag divers gilt genau diese Absicherung noch nicht. Nur durch den langwierigen und bevormundenden Prozess der Stiefkindadoption kann das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind errungen werden. Dabei müssen die Paare Auskunft über ihre Finanzen, Gesundheit und sogar über ihre Sexualkontakte geben. Diese Bevormundung schürt Angst und Verunsicherung in den Familien und bedeutet de facto eine Schlechterstellung des Kindes, weil ihm der zweite, absichernde Elternteil lange vorenthalten wird.

Um hier Abhilfe zu schaffen, lautet die simple Lösung in einem ersten Schritt: Die Formulierung in § 1592 wird so geändert, dass der Paragraf alle vom deutschen Recht anerkannten Geschlechter abdeckt. Die Rechte leiblicher Väter entsprächen auch dann noch in allen Konstellationen der geltenden Rechtslage. Eine Elternschaftsvereinbarung bereits vor der Zeugung sollte Rechtssicherheit für alle Beteiligten bringen.

Um die ganze Vielfalt der Familien rechtlich abzubilden, gehören Mehrelternschaft-Konstellationen und Verantwortungsgemeinschaften sowie eine diskriminierungsfreie Regelung für transgeschlechtliche Eltern zum nächsten Schritt auf der Agenda der Koalition.

Die Diskriminierung im Abstammungsrecht für alle queeren Familien ohne Ausnahme zügig zu beenden, das ist der Anspruch der Fortschrittskoalition. Es ist höchste Zeit – vor allem im Interesse der Kinder.