Rede zum Kulturhaushalt

Die Rede in Schriftform:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste!

Wer Kultur fördert, der fördert auch die Freiheit, die Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft.
Aber – eine starke Kultur braucht auch ein starkes Fundament und verlässliche Rahmenbedingungen.
Dafür Sorge zu tragen, das muss unser prioritäres Ziel in der Kulturpolitik sein.

Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, sie stellen verlässliche Rahmenbedingungen aber gerade auf die Probe!
Denn bei den laufenden TTIP-Verhandlungen wäre ein klares Signal für den Schutz der Kultur absolut notwendig. Sie müssen daher sicherstellen, dass dieser Schutz der Kultur beim Freihandelsabkommen auch garantiert wird.

Beschwichtigende Lippenbekenntnisse reichen da nicht aus, Frau Staatsministerin!
Die Kulturschaffenden in diesem Land und auch wir werden Ihnen erst vollständig glauben, wenn wir einen garantierten und umfassenden Schutz der Kultur und Medien bei TTIP schwarz auf weiß vor uns haben. Ohne Wenn und Aber! Solange, und das müssen sie so hinnehmen, solange bleiben begründete und auch berechtigte Zweifel bestehen.
Denn Kultur als Handelsware, das ist ein „worst case“ Szenario – nicht nur für Kulturschaffende.
Gerade der Streit zwischen Youtube und den Independent-Labels der Musikbranche muss sie doch aufhorchen lassen!
Denn er zeigt nur allzu deutlich, wie schnell eine Schieflage durch ungleiche Wettbewerbsbedingungen entsteht!
Hier werden letztlich Existenzgrundlagen der „Kleinen“ wirklich gefährdet. Und das finde ich völlig inakzeptabel!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein starkes Fundament für die Kultur braucht aber auch eine solide finanzielle Grundlage.
1,29 Mrd. Euro, das ist ein schöner Ansatz – aber das Geld allein macht noch keine gute Kulturpolitik. Durch die Haushaltspolitik der Regierung sind auch in diesem Jahr viele gute und sinnvolle Projekte auf der Strecke geblieben:

Ich nenne nur ein paar!
Was ist denn mit der Einführung eines Fonds neue Musik? Fehlanzeige!
Den Haushaltsantrag der Grünen Bundestagsfraktion haben sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, abgelehnt. Und das, obwohl der Koalitionsvertrag vollmundig die Einführung eines ebensolchen Musikfonds verspricht!
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, auch an anderen Stellen haben wir ihren Einsatz vermisst:
Die Stärkung des Deutschen Filmförderfonds haben sie Vielerorts angekündigt und versprochen.
Am Ende haben nur wir Grüne für eine Aufstockung des Fonds plädiert. Das ist bedauerlich und das können sie auch nicht mehr klein reden!

Ich will noch eines sagen – nur auf unsere Initiative hat der Haushaltsausschuss die finanzielle Stärkung des Bundesverbandes für Soziokultur und der Kulturstiftung des Bundes aufgegriffen. Das wiederrum ist wirklich zu begrüßen!

Jetzt zu Ihnen, liebe Frau (Staatsministerin) Grütters, auch Sie sprechen ja gerne über unser Verständnis als „Kulturnation“. Allerdings zeigt ihr Ansatz  im Kulturhaushalt einen eindeutigen Förderschwerpunkt in Berlin. Ein für mein Empfinden sehr einseitiges Verständnis von „Kulturnation“. In ihrer Antrittsrede haben sie gesagt: „Was in der Hauptstadt kulturell gelingt, wird in den Augen der Welt dem ganzen Land zugeschrieben.“

Wenn ich das so höre, frage ich mich, für wen machen Sie ihre Kulturpolitik? Um was geht es Ihnen? Um Berlin und das kulturpolitische Ansehen Deutschlands im Ausland oder um die Menschen in diesem Land?

Für mich ist Berlin nicht, wie sie, Frau Grütters, sagen: „unser aller dienender Mittelpunkt“. Berlin ist die Hauptstadt! Ja! Das ist richtig und wichtig. Aber Berlin und die Kultur in Berlin ist nicht mehr wert als in jeder andere Stadt in diesem Land oder in den ländlichen Bereichen.

Und hinzukommt, dass Berlin jetzt schon kulturpolitische Großbaustellen mehr als genug hat:

Die Freiheits- und Einheitsdenkmäler in Berlin aber auch in Leipzig zum Beispiel? 15 Millionen Euro teure Nationalsymbole, die die Nation und die Bürgerinnen und Bürger so jedenfalls nicht wollen!
Ist also keine wirklich gute Idee!
Und darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir Grüne eine qualifizierte Sperrung der Mittel und ein Moratorium für beide Bauvorhaben. Und zwar solange, bis die Voraussetzungen für würdige Gedenkorte geschaffen sind.

Und dann die von Ihnen angestoßene erneute Debatte über einen Museumsneubau auf der Museumsinsel in Berlin.
Frau Grütters, Sie machen ja keinen Hehl aus ihrer Vision, dass die Alten Meister auf der Museumsinsel zu sehen sein sollten.
Diese Debatte aber in Zeiten, in denen sich die Kosten vieler kulturpolitischer Bauvorhaben überschlagen, das ist das eindeutig falsche Signal.
Und nicht zuletzt die größte aller Baustellen: Das Berliner Stadt-Schloss! Die bauliche Hülle ist nicht das einzige Problem. Nein! Große Fragezeichen gibt es im Bereich der inhaltlichen Konzeption des Humboldt-Forums!
Bis heute ist nicht klar, wo die Reise überhaupt hingehen soll. Stattdessen verschieben Sie diese entscheidende Debatte auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und reden laut über Personalfragen, Frau Staatsministerin. Aber das, das ist doch der zweite vor dem eigentlich ersten Schritt.

Davon abgesehen müssen diese Personalentscheidungen auf jeden Fall öffentlich und durch eine Findungskommission
begleitet werden. Da sage ich Ihnen ganz klar: Eine Entscheidung über eine Intendanz in Hinterzimmern werden wir nicht akzeptieren!

Und, noch ein Punkt. Auch über das Thema Raub- und Beutekunst müssen wir reden, wenn wir über das Humboldt-Forum sprechen. Frau Grütters, gerade in der Debatte um Raub- und Beutekunst dürfen sie das Thema „koloniale Kunst“ nicht länger von der Hand weisen. Aus dieser Verantwortung, der wir uns stellen müssen, werden wir Grünen sie nicht rauslassen.

Und zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch ein Wort darüber verlieren, worauf es bei der Kulturpolitik neben den verlässlichen Rahmenbedingungen ganz wesentlich ankommt.

Wir brauchen den Willen, Kultur für alle Erlebbar zu machen. Dazu gehört der Mut, finanzielle Mittel auch kleinen Initiativen in der ganzen Bandbreite zur Verfügung zu stellen. Auch in der Kulturpolitik ist es unsere Pflicht, nachhaltig zu wirtschaften und die eigensetzen Mittel gerecht zu verteilen.

Und das gilt für eine Verteilung im ganzen Land und das gilt auch im Hinblick auf eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Kulturschaffenden. Denn nur so erhalten wir eine Kultur der echten Vielfalt und Freiheit, und zwar in der gesamten Republik.

Vielen Dank