Antidiskriminierungsstelle braucht dringend eine unabhängige Leitung

Zur Antwort der Bundesregierung auf die grüne Anfrage zur unbesetzten Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erklären Ulle Schauws MdB und Canan Bayram MdB:

Die peinliche Verzögerung um die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss endlich beendet werden! Das Bundesfamilienministerium sollte zügig und ohne Verwaltungsstreitverfahren eine neue ordnungsgemäße Bewerberauswahl einleiten. Es ist ein Skandal, dass die für die Dauer der Legislaturperiode angelegte Stelle nach zwei Jahren immer noch unbesetzt bleibt. Die Bekämpfung der Diskriminierung ist für die offene Gesellschaft essentiell und darf nicht der parteipolitischen Kungelei zum Opfer fallen.

Die Antwort der Bundesregierung auf die grüne Anfrage zur unbesetzten Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist ein Offenbarungseid. Das bisherige unprofessionelle Auswahlverfahren mit dem Ziel, den Posten nicht nach dem Prinzip der Bestenauswahl sondern scheinbar um jeden Preis mit einer SPD-Politikerin zu besetzen, ist für die ADS unwürdig. Und der Preis ist enorm: obwohl die Hälfte der Legislaturperiode vorbei ist, gibt es seit 2017 keine unabhängige Leitung. Nach diesen Antworten der Bundesregierung gibt es keine Perspektive darauf, dass eine schnelle Neubesetzung erfolgen soll.

Zudem weiß das SPD-geführte Bundesfamilienministerium anscheinend nicht, wie man eine solche Stelle rechtmäßig besetzt. Trotz des sehr kritischen Urteils im Eilverfahren gegen dieses Besetzungsverfahren und der eindeutigen Klatsche vor Gericht will sie den Prozess weiterhin führen: „Erst diese Klärung wird zeigen, welche Anforderungen an die Auswahl der ADS-Leitung zu stellen sind […].“  Obwohl dies bereits die vierte Besetzung der ADS Leitungsstelle seit ihrer Gründung ist, scheint Ministerin Giffey nicht in der Lage zu sein, ein ordentliches, professionelles Auswahlverfahren durchzuführen. Dabei ist die Antwort einfach: das Verfahren muss transparent und fair laufen und muss jedes „Geschmäckle“ vermeiden – anders, als es der Fall war.

Erstaunlich ist es zudem, wie ungeniert sich die Bundesregierung über die Tatsache hinwegsetzt, dass es laut dem Verwaltungsgericht keine Bewerbung seitens der SPD-Politikerin gab. Dies bezeichnet das BMFSFJ in der Antwort nicht als „Problem“ sondern hält es für irrelevant – zumindest, wenn die Person ein SPD-Parteibuch hat.

Da die Bundesregierung aus unerklärlichen Gründen die Vorbemerkung der grünen Bundestagsfraktion gestrichen hat, die vorab von der Bundestagsverwaltung auf deren Sachlichkeit überprüft wurde, schicken wir anbei sowohl die Anfrage in der gestellten Fassung als auch die Antwort der Bundesregierung (ohne nachweisbaren Fakten).

Hintergrund:

Seit dem Zusammentreten des neuen Bundestages 2017 ist die Leitung der Anti-diskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unbesetzt. Die ADS ist entscheidend für unsere offene Gesellschaft und bei der Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der „Rasse“ oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Dennoch ist ihr Wirkungsgrad durch die Unfähigkeit der Bundes-regierung, eine reguläre Leitung zu bestimmen, eingeschränkt.

Als Grund für die Nichtbesetzung nennt die Bundesregierung „ein anhängiges Konkurrentenstreitverfahren, das eine Besetzung bislang nicht zugelassen hat“ (s. die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage, Arbeitsnummer 3/188). Dabei geht es um den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2019, der nach der Klage einer anderen Bewerberin erging und das Bewerbungsverfahren in einer vernichtenden Art und Weise bewertet (s. Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, VG 7 L 218.18).

In der Begründung des Beschlusses stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Auswahlentscheidung des BMFSFJ „mit dem Prinzip der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar“ sei. Die Auswahlentscheidung habe sich als „ermessensfehlerhaft, weil sie auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage beruht“ erwiesen. Die ausgewählte Bewerberin, eine SPD-Politikerin, hat nicht einmal eine Bewerbung abgegeben! Vielmehr wurde auf eine solche nach den Ausführungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, anders als bei der Mitbewerberin, verzichtet. Nachdem die Bewerberin in Gesprächen ihr Interesse bekundet hatte, hat sie am 23. März 2018 fünf Zeugnisse und einen Lebenslauf per E-Mail ohne ein Anschreiben an die Personalverantwortlichen geschickt. Das am 27. April 2018 vom SPD-Geschäftsführer erstellte Zeugnis ist mit E-Mail vom gleichen Tag direkt von der SPD an das Ministerium übermittelt worden (o.g. Beschluss, S. 9). Da im Ergebnis dem Bundeskanzleramt und schließlich dem Kabinett keine Bewerbungen vorgelegt worden sind, konnte die Bundesregierung die Bewerbungen im Hinblick auf die geforderten Erfahrungen und Fähigkeiten nicht nachvollziehen und keiner weiteren Prüfung unterziehen. Sie konnte noch nicht einmal erkennen, dass es eine Bewerbung der SPD-Politikerin „i.e.S.“ gar nicht gegeben hat (o.g. Beschluss, S. 9 und 10).

Das alles veranlasste das Gericht zur folgenden Feststellung: „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Verfahren zur Besetzung der Leitung der ADS nicht in der gebotenen Weise ergebnisoffen geführt wurde.“