Frauen in der Corona-Krise schützen + unterstützen

Ulle Schauws / Ricarda Lang

Gewaltschutz für Frauen / Häusliche Gewalt 

Die Corona-Pandemie stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Social distancing verursacht bei vielen Menschen Stress, Enge, Existenzängste oder Einsamkeit. Für viele Frauen geht diese Situation mit einem erhöhten Risiko an Gewalt einher, denn in Krisen nimmt auch Gewalt oft zu. Mit der Beschränkung auf den häuslichen Raum verschärft die Gefährdungslage für von Gewalt betroffene Frauen Familienmitglieder müssen zuhause bleiben, Kinderbetreuung kann öffentlich nicht mehr gewährleistet werden. Existenzielle Sorgen kommen zu diesem Stress oft dazu. Die potentielle Gefahr der Gewaltausübung steigt. Durch die Abnahme der sozialen Kontakte sinkt zudem die öffentliche Kontrolle für Fälle häuslicher Gewalt. In Peking zum Beispiel stieg während der Ausgangsbeschränkungen in der Krisenzeit die häusliche Gewalt um das Dreifache an. Kinder, Jugendliche und z.T. auch Männer sind von der Gewalt betroffen. Frauen sind im Falle von häuslicher Gewalt in Form von physischer und psychischer Gewalt aber oft auch von sexualisierter Gewalt bedroht. 

In dieser Krise gehen auch an den Frauenberatungsstellen und Notrufen und den Frauenhäusern die Maßnahmen nicht spurlos vorbei – waren sie bereits vor der Krise oft überlastet, stehen sie jetzt vor einer zum Teil dramatischen Situation. Die Frauenhäuser müssen jetzt noch mehr Frauen abweisen als bereits bisher, um die Hygiene- und Schutzauflagen gegen das  Corona-Virus zu erfüllen. Manche stehen unter Quarantäne oder schließen wegen Infektionsgefahr gänzlich. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, oft ältere Frauen, die selbst zur Risikogruppe gehören, können nicht mehr beschäftigt werden. 

Realität ist auch, dass es Frauen im eigenen Zuhause oft nicht möglich ist, Beratungen von dort aus in Anspruch zu nehmen. Die Frauenberatungsstellen rechnen auch deshalb mit einer großen Welle Hilfesuchender nach dem Höhepunkt der Krise, für die sie noch nicht gewappnet sind. Hier ist schnelle, unbürokratische finanzielle Hilfezusage jetzt entscheidend.

Es muss dringend über Maßnahmen einer breiten Information und über Appelle zum Gewaltschutz nachgedacht werden. In Bund und Ländern muss Gewaltschutz selbstverständlicher Teil der Pandemie-Pläne sein. In der Krise muss eine Koordination initiativ von Ländern und Kommunen kommen und die Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern entlasten. Es muss uns in einem gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen gelingen, Gewaltschutz auch während der Pandemie aufrecht zu erhalten.

Was ist jetzt wichtig:

  • Hilfsstrukturen wie Frauenhäuser und Beratungsstellen brauchen jetzt eine Finanzierungszusage für dezentrale (Not-) Unterkünfte für gewaltbetroffene Frauen, Kinder und andere vulnerable Gruppen 
  • Einen Notfall-Fonds aus Bundesmitteln zur schnellen, unbürokratischen Hilfe bei Einnahmeausfällen und Wegbrechen der Eigenmittel bei Frauenberatungsstellen, für den Ausbau von online und telefonischer Beratungund die Anschaffung technischer Software und Telefon-Ausrüstungen. Dieser muss schnell bereit gestellt werden.
  • Für ein erhöhtes Aufkommen hilfesuchender Frauen muss der Ausbau und die Finanzierung der Beratungen in Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen aufgestockt und mit professionellen und telefonischen Übersetzungsdiensten gewährleistet werden 
  • Den Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern muss zugesagt werden, dass Projektgelder trotz Krisenmodus und Ausfällen vollständig ausgezahlt werden. 
  • Fristen für Anträge aus dem Bundesinvestitionsprogramm 2020 müssen verlängert werden.
  • Wenn es bei Frauen, deren Aufenthalt aus SGB II/ XII finanziert werden, wegen Überlastung der Jobcenter zu finanziellen Ausfällen kommt, brauchen Frauenhäuser eine Kompensation über den Bund.
  • Der Bund muss in einer bundesweiten Gewaltschutzkampagne gegen häusliche Gewalt alle Frauen erreichen, Angebote online und offline in vielen Sprachen übermitteln. Dazu gehört auch die Aufklärung über Rechte und Gesetze. 
  • Die Hotline Hilfe gegen Gewalt muss personell aufgestockt werden.
  • Alle Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen, Frauenhäusern und Gewaltschutzeinrichtungen müssen als systemrelevant eingestuft werden.
  • Für geflüchtete Frauen in Unterkünften müssen endlich wirksame Gewaltschutz- und Gesundheitsschutzmaßnahmen eingerichtet werden.

Versorgungslage für Frauen bei Schwangerschaftskonflikten

Frauen, die ungewollt schwanger sind, brauchen schnelle Beratung und Hilfen. 
Durch die Einschränkungen ist mit einem Anstieg an ungewollten Schwangerschaften zu rechnen. Menschen verbringen vermehrt Zeit zuhause. Frühere Krisenerfahrungen und aktuelle Berichte aus China zeigen, dass jetzt mit einem Anstieg an sexualisierter Gewalt im häuslichen Kontext gerechnet werden muss. Überdies kann durch die Einschränkungen der Bewegung im öffentlichen Raum der Zugang zu Verhütungsmitteln eingeschränkt sein. 

Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Familienplanungszentren und andere Beratungsstellen, die auch Schwangerschaftskonfliktberatung durchführen, können aktuell nur eingeschränkt arbeiten und ihr Beratungsangebot unter sehr schwierigen Bedingungen gewährleisten. Bereits vor der Krise gab es regional unterschiedliche Versorgungsengpässe. Nun spitzt sich die Situation enorm zu. Hinzu kommt, dass die Geschäftsstellen der Krankenkassen geschlossen oder unerreichbar sind, so dass Frauen, die es benötigen, keinen Antrag auf Kostenübernahme einreichen können. 

Was ist jetzt wichtig:

  • Es muss flächendeckend sichergestellt werden, dass anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatung auch online oder telefonisch durchgeführt werden kann und Beratungsscheine per Mail/Post zugehen.
  • Der Zugang zu Familien- bzw. Schwangerschaftskonfliktberatung muss auch bei Ausgangsbeschränkungen flächendeckend gewährleistet werden. Dazu gehört auch ein expliziter Hinweis, dass das Aufsuchen von Einrichtungen der Schwangerschaftskonfliktberatung nach wie vor möglich ist. 
  • Um alle Frauen zu erreichen, ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit für die Änderung des Beratungsangebots in diversen Sprachen und durch unterschiedliche Medien notwendig.
  • Es muss sichergestellt werden, dass schwangere Frauen, die nach Beratungsregelung, medizinischer oder kriminologischer Indikation einen Schwangerschaftsabbruch wünschen oder benötigen, weiterhin Zugang zu medikamentösem oder operativem Abbruch haben. 
  • Zusätzlich muss der Home-use für den medikamentösen Abbruch mit telemedizinischer Begleitung bis zum Ende 9. Schwangerschaftswoche, entsprechend den Richtlinien der WHO zugelassen werden.
  • Auch Beantragung der Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen bei der GKV muss nun online möglich sein
  • Alle (ungewollt) Schwangeren haben ein Recht auf Beratung. Diese anzubieten hat immer Vorrang. Sofern Beratungsstellen melden, dass sie in dieser Extremsituation ihrem Beratungsauftrag aber nicht mehr nachkommen können, muss eine Aussetzung der Beratungspflicht erwogen werden. 
  • Alle Mitarbeiter*innen müssen als systemrelevant eingestuft werden.  
  • Apotheken sollten Verhütungsmittel und die „Pille danach“ sowie Schwangerschaftstests in ausreichender Menge vorhalten. 
  • Ärzt*innen müssen Rezepte für empfängnisverhütende Mittel via Post/Mail schicken können, um Praxisbesuche zu vermeiden.

Verschärfung der Lage für Prostituierte 

Die Schließung von Prostitutionsstätten, das ausdrückliche Berufsverbot und Meidung sozialer Kontakte bedeutet für viele Frauen, die in der Prostitution arbeiten, einen sofortigen Einnahmeverlust und dadurch eine existenzielle Bedrohung. Darüber hinaus sind manche von Obdachlosigkeit bedroht. Die verpflichtenden Beratungen bei den Gesundheitsämtern stellen aufgrund der Corona-Krise jetzt erst recht ein Problem dar.

Was ist jetzt wichtig:

  • Prostituierte müssen Hilfe über die Rettungsschirme schnell und unbürokratisch erhalten.
  • Von Wohnungslosigkeit betroffene oder bedrohte Prostituierte benötigen finanzielle Hilfen für die Unterbringung in Unterkünften. Im Falle der Unterkunft in (geschlossenen) Prostitutionsstätten müssen Mietschulden vermieden werden. 
  • Das Übernachten in geschlossenen Prostitutionsstätten muss erlaubt / ermöglicht werden.
  • Verpflichtende Meldungen bei Gesundheitsämtern müssen ausgesetzt werden.

Ausblick: 

Aus frauenpolitischer Perspektive wird es darauf ankommen, weitere Probleme, die die Krise hervorbringen könnte, zu bewerten. Insbesondere der Bereich Arbeit und Existenzsicherung von Frauen wird dazu gehören. Dies müssen wir weiter im Blick behalten. In einigen Medienberichten ist jetzt endlich angekommen, dass Frauen in der Krise die Gesellschaft am Laufen halten. Sie sind zum einen in vielen als systemrelevant eingeschätzten Berufen in Pflege, Betreuung und Einzelhandel deutlich überrepräsentiert, aber übernehmen auch im unbezahlten Care-Sektor den Löwenanteil der Arbeitsstunden. Die umfassenden Auswirkungen der Pandemie auf die Erwerbstätigkeit und Existenzsicherung von Frauen sind noch nicht abschließend einschätzbar. Aber folgende Punkte müssen wir in den Debatten um Lösungen einbringen und fordern:

  • Frauen sind mehr in Minijobs und Teilzeitbeschäftigung berufstätig und diese Jobs sind erfahrungsgemäß bei wirtschaftlichen Krisen als erstes in Gefahr.
  • Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt und auf den gleichen Verdienst nach zeitweiligem Berufsausstieg durch Wirtschaftskrisen bei Frauen schwerer als bei Männern verlief und sie länger unter den Folgen zu leiden haben. 
  • Weil Frauen immer noch deutlich weniger verdienen, fallen auch Lohnersatzleistungen wie Kurzarbeitsgeld geringer aus. Hier muss über eine Kompensation auch mit Blick auf die oft zusätzliche Übernahme von Care-Arbeit erfolgen.
  • Die Berufsgruppen mit einem hohen Anteil von Frauen in der (Solo) Selbstständigkeit oder in Dienstleistungsberufen (Frisör*innen, Kosmetiker*innen etc.) in Medien, Journalismus, Kultur u.a. brauchen schnelle Unterstützung /unbürokratischen Zugang zu finanziellen Hilfen
  • Die Krise zeigt deutlich den Wert der Arbeit, den heute hauptsächlich Frauen übernehmen. Darum fordern wir einen deutlichen Anstieg der Bezahlung im Care-Sektor. 
  • Bei einer Diskussion um das Bedingungslose Grundeinkommen muss der Bereich der unbezahlten Arbeit mit in die Waagschale.