Rede zu Parité

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Wahl 2017 war die Bestürzung groß: Der Anteil der Frauen im Bundestag war seit Langem wieder gesunken, und das nicht zu knapp. Der bisherige Aufwärtstrend erfolgt nicht automatisch, wie viele vielleicht gedacht haben. Mehr Frauen im Bundestag kommen eben nicht von alleine.

Wenn Sie hier in diese Runde gucken, dann wird offenbar, wer das Problem darstellt: Das ist die Union, das ist die FDP und natürlich die AfD.

Von den demokratischen Parteien kamen viele Ankündigungen, aktiv werden zu wollen. Im Jubiläumsjahr zu 100 Jahre Frauenwahlrecht sorgten gerade Union und SPD für viele Schlagzeilen dazu. Kanzlerin Merkel sprach sich für mehr Frauen in Parlamenten aus. AKK machte laute Ankündigungen dazu. Ministerin Giffey meinte, sie habe keine Lust mehr, so lange wie beim Frauenwahlrecht zu warten; sie unterstütze die fraktionsübergreifende Initiative der weiblichen Abgeordneten.

Im 100. Frauenwahlrechtsjahr haben es alle aufgegriffen. Die SPD hat keine Veranstaltung ausgelassen, ohne den Mut von Marie Juchacz zu erwähnen. Aus dieser Dynamik hat sich nach einem Termin mit dem Deutschen Frauenrat vor gut einem Jahr eine interfraktionelle Frauengruppe aus den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, der Linken und der Grünen gebildet. Für uns Grüne kann ich sagen: Wir haben uns aus Überzeugung mit den Frauen interfraktionell zusammengeschlossen, gemeinsam für einen Vorstoß aus der Mitte des Parlaments mit dem erklärten Ziel: mehr Frauen in die Parlamente.

Wir haben in dieser interfraktionellen Frauengruppe einen Kompromiss gefunden. Die progressiveren Fraktionen wären hier sicher gerne weitergegangen, Union und FDP nicht. Aber die Frauen dieser Fraktionen haben sich am Ende geeinigt: Als erster wichtiger Schritt soll eine Kommission aus Expertinnen und MdBs eingesetzt werden, die Vorschläge für gesetzliche Regelungen und Maßnahmen für Listen und Wahlkreise erarbeiten soll. Verbesserungen der Rahmenbedingungen dafür, dass mehr Frauen kandidieren, sollen dazugehören. Wir wissen: Das ist zentral.

Darum liegt dieser Gruppenantrag jetzt so auf dem Tisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Frauen haben diesen Kompromiss interfraktionell ausgearbeitet, und nun, auf den letzten Metern, zucken Union und SPD-Fraktion zurück. Sie machen stattdessen nichts und bremsen als Regierungsfraktionen selbst den Minimalvorschlag einer Kommission aus.

Das kann nicht Ihr Ernst sein.

Die Frauenverbände und die Frauen erwarten, dass Sie als GroKo hier mitgehen, nachdem Sie vollmundige Ansagen gemacht haben, den Frauenanteil in den Parlamenten erhöhen zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen wollen nicht, dass am Ende gar nichts in Richtung Parität und für die Frauen herauskommt. Nicht nur ankündigen, sondern konkret werden: Das ist überfällig.

Die Einsetzung einer Kommission ist der erste wichtige Schritt dazu.

Den Vorschlag der Frauengruppe tragen wir Grünen mit den Linken weiter, ein Vorschlag, der die Türen für mehr Repräsentanz von Frauen im Parlament öffnen kann. Ich sage Ihnen: Sie sollten dem folgen; denn die Frauen wissen, wo es langgeht.

Wenn es einen weiter gehenden Vorschlag geben sollte, sind wir natürlich gerne dabei. Aber was ist, wenn der nicht kommt, liebe SPD? Gestern noch keine Position zum Wahlrecht und jetzt auf einmal die Ankündigung, Sie wollen, dass durch eine Änderung des Wahlrechts mehr Frauen ins Parlament einziehen.

Das finde ich nicht sehr glaubwürdig.

Wir haben uns sehr bewusst für einen Gruppenantrag entschlossen; denn wir glauben – und wir sind dabei geblieben -, dass uns ein gemeinsames Vorgehen weiterbringt, wenn auch langsamer. Aber es ist unsere Verantwortung. Wir haben alle den politischen Auftrag, durch das Grundgesetz dafür Sorge zu tragen, dass Frauen gleichberechtigt an gesellschaftlichen und politischen Debatten teilhaben.

Ich appelliere an Sie, die Spitzen von Union und SPD, diesen Antrag zu unterstützen. Was hält Sie davon ab? Er schadet niemandem. Wem nutzt er? Allen. Denn mehr Parität von Frauen ist nicht nur eine politische Antwort auf die Anforderungen aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, sie stärkt auch unsere Demokratie.

Gehen Sie mit auf diesen Gruppenantrag. Das wäre 101 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts kein großer, aber zumindest ein kleiner Meilenstein.

Vielen Dank.