Persönliche Erklärung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan

Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Lisa Badum, Erhard Grundl, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Chris Kühn, Monika Lazar, Sven Lehmann, Steffi Lemke, Beate Müller-Gemmeke, Filiz Polat, Claudia Roth, Corinna Rüffer, Ulle Schauws, Dr. Gerhard Schick zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte. (TOP 8; Drucksachen 19/1094)

Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben. Der Einsatz von Militär kann immer nur äußerstes Mittel zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung sein. Militär kann bestenfalls ein Zeitfenster für Krisenbewältigung schaffen, nicht aber den Frieden selbst.

In Afghanistan gab es jahrelang eine Dominanz militärischer Zielsetzungen gegenüber zivilen Lösungsansätzen und ein fehlendes entwicklungspolitisches Konzept. Schon seit langem war klar, dass die Strategie, vorrangig mit militärischen Mitteln eine Friedenslösung erzwingen zu wollen, gescheitert ist. Ein stabiler und dauerhafter Frieden kann nur über den Verhandlungsweg erreicht werden. Die Capture-or-Kill-Operationen und die gezielten Tötungen durch Drohnenangriffe der USA forderten immer wieder zivile Opfer und haben das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in die internationale Präsenz untergraben. Eine politische Lösung wurde dadurch in den letzten Jahren enorm erschwert.

Die Ankündigung die NATO-Truppenpräsenz bis Ende 2014 zu beenden, war daher politisch richtig, auch wenn sie letztlich niemals umgesetzt wurde. Nachdem die NATO nun mittlerweile zweimal die gesetzten Abzugstermine, mit denen auch für Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung geworben wurde, nicht eingehalten hat, wurde auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juni 2016 vereinbart, den Afghanistan-Einsatz zeitlich nicht mehr zu befristen. Dadurch droht ein langjähriger, nicht absehbarer Einsatz in Afghanistan ohne eine Exit-Strategie. Ein solches zeitlich unbegrenztes NATO-Mandat halten wir für falsch.

Die falsche Ausrichtung des Afghanistan-Engagements der NATO wurde nun durch die Amtsübernahme von US-Präsident Trump noch einmal verstärkt. In den letzten Monaten vollzogen die USA einen grundlegenden Strategiewechsel in Afghanistan. Am 21. August 2017 hat Präsident Trump dies in den Worten zusammengefasst: „We are not nation-building again. We are killing terrorists“. Der bisherige Konsens innerhalb der NATO-Staaten, dass es bei dem Einsatz insbesondere darum geht, dem demokratischen Staatsaufbau und der demokratischen gesellschaftlichen Entwicklung Afghanistans ausreichend Zeit zu geben, wurde de facto aufgekündigt.

Entsprechend wurden in den letzten Monaten die amerikanische Truppenpräsenz im Lande massiv aufgestockt und die Luftschläge gegen Aufständische ausgeweitet. Demnächst sollen circa 15.000 US-Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan stationiert werden. Hinzu kommen noch etwa 26.000 private Vertragsnehmer, die ebenfalls teilweise bewaffnet sein sollen. Wieviel US-Militärs sich jedoch in Afghanistan tatsächlich aufhalten, ist völlig unklar, da Trump mittlerweile die offizielle Bekanntgabe von Truppenzahlen unterbunden hat. Die Möglichkeiten einer Einflussnahme auf die einseitig festgelegte Strategie der USA durch die Partner bei diesem Einsatz sind sehr gering.

Gleichzeitig steht zu befürchten, dass es mit der Ausweitung der Luftangriffe und des Drohnenkriegs in nächster Zeit zu einem weiteren Anstieg der ohnehin schon hohen zivilen Opferzahlen kommen wird. Das internationale Engagement in Afghanistan wird dadurch nicht nur massiv geschädigt, sondern konterkariert.

Die Bundesregierung hat es versäumt, ein eigenes strategisches Konzept für den Einsatz in Afghanistan zu entwickeln. Stattdessen akzeptiert sie kommentar- und kritiklos Kurswechsel der Trump-Administration in der Afghanistan-Politik. Im Bundeswehr-Mandat für RSM ist das Verhältnis zwischen Ausbildung und Training sowie einer möglichen Beteiligung an der Aufstandsbekämpfung nicht eindeutig geklärt. Eine Begleitung von afghanischen Truppen in Kampfeinsätze wird durch die Bundesregierung nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Durch diese Unklarheit im Mandat und die massive Ausweitung des US-Kampfeinsatzes droht nun die Bundeswehr erneut in Operationen offensiver Aufstandsbekämpfung hineingezogen zu werden. Diese Form des militärischen Vorgehens, die einhergeht mit hohen zivilen Opferzahlen, lehnen wir grundsätzlich ab. Wir halten sie nicht für zielführend, um damit einen nachhaltigen Friedensprozess in Afghanistan zu etablieren. Zudem fehlt eine konkrete Abzugsperspektive. Das Mandat entspricht damit nicht den Kriterien, die wir an Bundeswehrmandate anlegen. Der Krieg in Afghanistan ist militärisch nicht zu lösen.

Wir setzen uns weiter dafür ein, unsere humanitären und entwicklungspolitischen Verpflichtungen gegenüber Afghanistan zu erfüllen. Darüber hinaus ist eine Fortführung der politischen Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban notwendig. Auch hier torpedieren Aussagen von Donald Trump wie „We don’t want to talk to the Taliban. We’re going to finish what we have to finish“ die Bemühungen vor Ort. Insbesondere das Gesprächsangebot der afghanischen Regierung an die Taliban wird damit komplett dementiert. Ein stabiler und dauerhafter Frieden in Afghanistan kann aber letztlich nur über den Verhandlungsweg erreicht werden. Die Strategie, Afghanistan militärisch zu befrieden, ist bisher gescheitert und auch für die Zukunft nicht sinnvoll, sondern falsch. Deshalb lehnen wir dieses Mandat ab.