Rede zum Kulturetat 2017

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt tatsächlich einen Grund zur Freude: Die Koalition hat eine wichtige grüne Haushaltsinitiative aufgegriffen. Zum ersten Mal fördert der Bund queere Filmfestivals, und zwar bundesweit. Das ist ein Riesenerfolg für die lesbisch-schwule Filmszene in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Dörmann (SPD): Auch in Köln!)

Ich freue mich sehr – dafür sage ich in Richtung des Haushaltsausschusses auch noch einmal Dank -, dass diese Mittel so beschlossen wurden; denn diese oft spannenden Filmfestivals sind wichtig für die Sichtbarkeit aller LGBT-Lebensentwürfe. Sie schaffen Zugang zu einer Filmkultur, die in deutschen Kinos sonst kaum Widerhall finden würde. Queere Filmfestivals tragen entscheidend zur Vielfalt und zur Bandbreite unserer Filmlandschaft bei. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Homo- und Transphobie ist diese Bundesförderung ein gutes Zeichen der Stärkung für eine tolerante und offene Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Carolin Emcke, die Trägerin des diesjährigen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat etwas gesagt, was ich für elementar halte:

Die Kunst ist ein nicht zu unterschätzendes Gegengift zu jenen gefährlichen Denkmustern, die ein sehr begrenztes Weltbild propagieren.

Und aus ihrer viel beachteten Rede in Frankfurt stammt der Satz – ich zitiere -:

Diese demokratische Geschichte eines offenen, pluralen Wir braucht Bilder und Vorbilder, auf den Ämtern und Behörden ebenso wie in den Theatern und Filmen – damit sie uns zeigen und erinnern, was und wer wir sein können.

Ich finde, Carolin Emcke hat sehr recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine offene und demokratische Gesellschaft sind es auch diese kleinen Stellschrauben im Haushalt, die am Ende einen großen Unterschied machen. Der Umgang mit unserer Geschichte und ebenso die Erinnerungskultur spielen hierbei eine ganz entscheidende Rolle. Historische und politische Bildung bilden eine Einheit; das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Aus diesem Grund hat meine Fraktion einen Haushaltsantrag zur Stärkung der pädagogischen Arbeit der NS-Gedenkstätten eingebracht; denn Gedenkstätten müssen ausreichend Finanzierung und Personal erhalten, damit sie als autonome Lernorte neue Erinnerungskonzepte entwickeln können. Die jetzt noch im Laufe des Verfahrens eingestellten 500 000 Euro zur Stärkung der pädagogischen Arbeit der KZ-Gedenkstätten sind daher ein längst überfälliger Schritt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts des geplanten Kulturhaushalts 2017 von 1,63 Milliarden Euro sind die benannten Förderprojekte gefühlt jedoch eine Randnotiz. Offensichtlich gibt es auf der Regierungsbank eine Leidenschaft für kulturelle Großprojekte und preußische Herrschaftsbauten; denn ansonsten lässt sich nicht erklären, dass an anderer Stelle ohne Wenn und Aber Millionenbeträge fließen, zum Beispiel für den Wiederaufbau der Kolonnaden des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I hier in Berlin. Ich kritisiere das an dieser Stelle ganz explizit, auch wenn die Kosten im Bauetat verankert sind, weil es hier eben nicht nur um eine reine Bauentscheidung geht, sondern auch um eine kulturpolitische.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sigrid Hupach (DIE LINKE))

Die Stelle, an der die Kolonnaden entstehen sollen, ist genau jener Ort, an dem eigentlich das Freiheits- und Einheitsdenkmal stehen sollte, ein Denkmal, für dessen Entstehung sich das Parlament 2007 ausgesprochen hat und für das im Rahmen eines legitimierten Wettbewerbs ein Gewinner ausgewählt wurde. Diese Entscheidungen, die das Parlament und die Jury getroffen haben, treten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mit dem aktuellen Haushaltsbeschluss mit Füßen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Über das Freiheits- und Einheitsdenkmal und speziell den Entwurf von Milla & Partner ist in der Vergangenheit viel gestritten worden, und den Stopp des Denkmals durch den Haushaltsausschuss im April mögen vielleicht viele als befriedigend empfunden haben. Auch wir Grüne haben den Prozess um den aktuellen Entwurf immer sachlich und kritisch begleitet, und ich stehe jetzt hier nicht als Verfechterin dieses einen Entwurfs; verstehen Sie mich da bitte nicht falsch. Aber das aktuelle politische Verfahren um diesen Entwurf ist skandalös.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sigrid Hupach (DIE LINKE))

Dass der Haushaltsausschuss den Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals wegen Kostensteigerungen von 5 Millionen Euro stoppt, über die man im Übrigen streiten kann, das ist das eine. Das andere ist, dass die Haushälterinnen und Haushälter der Koalition einfach mal einen eigenen Vorschlag zur Gestaltung des Schlossplatzes aus dem Hut zaubern, und zwar mit Kosten in Höhe von über 18 Millionen Euro, und dies, Kolleginnen und Kollegen, ohne eine kulturpolitische Debatte, geschweige denn eine breite öffentliche Debatte. Da frage ich Sie, Frau Grütters: Wo bleibt Ihr Zwischenruf, wo bleibt Ihre Forderung nach einer öffentlichen kulturpolitischen Debatte hierzu? Sie schweigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie von der Koalition hier mit der Öffentlichkeit umgehen, ist Politik nach Gutsherrenart, und das kritisieren wir ganz klar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinsichtlich dessen, wie es im Verfahren um das Freiheits- und Einheitsdenkmal weitergehen soll, sind Sie jetzt am Zuge. Wir Grünen appellieren an Sie: Halten Sie demokratische Maßstäbe ein! Missachten Sie sie nicht weiter!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Hier die Rede zum Kulturetat 2017 zum Ansehen.