Rede zum Prostituiertenschutzgesetz

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prostitution ist eine komplexe und vielfältige Branche. Es gibt Laufhäuser, kleine Bars, Kinos, Wohnungsbordelle. Es gibt Hausfrauen, die an zwei Vormittagen in der Woche als Prostituierte arbeiten. Es gibt Männer im Escortservice. Es gibt Prostituierte, die vor allem auf dem Straßenstrich arbeiten, sowie Frauen, die mit Kolleginnen in einer Wohnung sexuelle Dienste anbieten und so ihr Einkommen sichern. Und es gibt im Bereich der Prostitution Kriminalität und Ausbeutung. Wer diese bekämpfen will, muss differenzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wer das nicht macht – und das machen Sie von der Union tatsächlich nicht -, der bedient konstant nur das Klischee der Prostituierten. Sie vermischen dies wieder und wieder mit Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Das kann nicht zielführend sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie zeichnen permanent Bilder der Gegensätze von der selbstbestimmten Edelprostituierten zur Zwangsprostituierten. Und wenn Sie über Prostituierte aus Osteuropa reden, unterstellen Sie auch gern einmal einer Mehrheit der Frauen, sie seien minderbemittelt, Analphabetinnen, schwanger, drogen- oder alkoholabhängig oder alles gleichzeitig. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie für sich die Rolle einnehmen wollen, Prostituierte zu retten. Aber was machen Sie? Sie sprechen ihnen die Entscheidung über ihren eigenen Körper und ihre Berufsentscheidung, über das, was sie tun, um ihr Geld zu verdienen, ab. Das ist weder differenziert noch eine praxistaugliche Lösung für einen besseren Schutz in einem schwierigen und sehr gefahrvollen Arbeitsbereich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so vielfältig die Branche ist, so vielfältig müssen auch die Maßnahmen sein. Runde Tische wie in NRW haben sich als erfolgreich erwiesen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ha, ha!)

Sie bringen alle Akteurinnen und Akteure zusammen, sie schließen niemanden aus, und sie suchen gemeinsam nach konkreten Lösungen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Eine Genehmigungspflicht für das Prostitutionsgewerbe ist sinnvoll, weil hierdurch der Schutz von Prostituierten gewährleistet werden kann. Allerdings muss sichergestellt sein, dass auch kleine Bordelle die Auflagen erfüllen können, die eine solche Genehmigungspflicht mit sich bringt. Der Bund sollte zudem die Länder dabei unterstützen, die freiwillige Beratung auszubauen; denn hier können Menschen erreicht werden,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

hier können sie Vertrauen fassen und Unterstützung auch bei Fragen nach Alternativen zur Tätigkeit in der Prostitution finden. Das sind Maßnahmen, die funktionieren und sinnvoll sind, weil sie Menschen nicht bevormunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im vorliegenden Gesetzentwurf werden diese Maßnahmen nicht aufgegriffen. Schlimmer noch: Er ist moralisierend, er setzt auf das Instrument der Kontrolle. In unserem Entschließungsantrag zum vorliegenden Gesetzentwurf haben wir unsere Kritik daran sehr deutlich gemacht. Hauptkritikpunkte sind und bleiben die Anmeldepflicht und die jährliche gesundheitliche Pflichtberatung. Sie sind kontraproduktiv. Das sind die Fakten.

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Hallo? Warum?)

Sehr deutlich formulierten das die von der SPD eingeladenen Expertinnen in der Anhörung.

Was machen Sie von Union und SPD eigentlich mit den Ergebnissen der Anhörung?

(Maik Beermann (CDU/CSU): Die haben Sie wohl auch nicht!)

Nachdem die Sachverständigen mehrheitlich die von uns angebrachte Kritik an der Anmelde- und Beratungspflicht unterstützt haben,

(Harald Weinberg (DIE LINKE): Das ist doch Quatsch! Wie denn? – Maik Beermann (CDU/CSU): Waren Sie nicht da?)

gehen Sie hin und lassen die Argumente der Sachverständigen unter den Tisch fallen. Werten Sie doch einmal die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung aus!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wozu machen Sie ein parlamentarisches Verfahren mit einer Anhörung, wenn Sie am Ende nichts mit den Ergebnissen machen?

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Haben wir! Jetzt geht es aber los!)

Sehr bemerkenswert finde ich auch, dass Sie die Kritik des Bundesrates nicht beachten. Vonseiten des Bundesrates wurden ein immenser bürokratischer Aufwand und die daraus resultierenden Kosten kritisiert. Wie gehen Sie darauf ein? Sie lassen die Länder und die Kommunen mit den Kosten allein. Es ist doch jetzt schon absehbar, dass es in den Kommunen knirschen wird, wenn sie die Auflagen der Pflichtberatung erfüllen müssen. Die Kommunen müssen dann tief in die Tasche greifen.

(Michael Brand (CDU/CSU): Geht es um den Schutz oder um die Kosten?)

Aber genau an dieser Stelle interessiert Sie die Lage der Kommunen interessanterweise gar nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Uns interessieren die Fragen!)

Man kann überhaupt nicht erkennen, dass Sie hier für einen reibungslosen Ablauf irgendetwas in Bewegung setzen wollen. Das scheint Ihnen egal zu sein.

(Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Sie haben keine Ahnung, wie es bei uns zugeht!)

Mal ganz ehrlich: Dieses Gesetz ist ein einziger Kompromiss. Frau Schwesig, Sie halten den Frieden in der Koalition höher als den Schutz der in der Prostitution tätigen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Ja! Klar! – Paul Lehrieder (CDU/CSU): Jetzt tun Sie ihr aber unrecht!)

Dieses Gesetz bringt de facto mehr Schutzlosigkeit. Es trägt dazu bei, das Stigma von Prostituierten zu verstärken, anstatt es abzubauen. Wir haben jetzt wohl hinreichend erklärt, warum. Prostituierte werden sich nicht anmelden. Sie werden in Zukunft illegal arbeiten.

(Michael Brand (CDU/CSU): Es geht um die Opfer!)

Im Falle von Illegalität, Bedrohung und Gewalt werden sie sich dann nicht einmal mehr bei einer Behörde melden können. So wird ihnen jeder Schutz verwehrt bleiben. Das wäre wirklich fatal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Dieses Gesetz ist frauenpolitisch ein Desaster, gesundheitspolitisch Unsinn,

(Michael Brand (CDU/CSU): Kein Wort über die Opfer!)

steuerrechtlich ein schwarzes Loch und bürgerrechtlich hochbedenklich. Darum stimmen wir Grüne gegen dieses Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Maik Beermann (CDU/CSU): Jeder macht mal Fehler!)

Hier die Rede als Video zum Ansehen: