Fachgespräch – Prostituiertenschutzgesetz: Wo Schutz drauf steht, muss Schutz drin sein

Der Entwurf für das Prostituiertenschutzgesetz aus dem Familienministerium konzentriert sich weniger auf den Schutz und deutlich mehr auf die Kontrolle der Prostituierten. Darin sind äußerst problematische Regelungen enthalten, wie eine Anmeldepflicht und regelmäßige verpflichtende Gesundheitsberatungen. Die grüne Bundestagsfraktion lud zur Diskussion mit Ulle Schauws MdB, frauenpolitische Sprecherin, Heidrun Nitschke vom Gesundheitsamt in Köln, Anja Kasten vom Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen und Dr. Anja Schmidt von der Universität Leipzig.

Die verpflichtende Beratung beinhaltet nach Heidrun Nitschke eben nicht den Schutz der Prostituierten. Prostituierte würden damit vielmehr als gegen Recht verstoßende Personen betrachtet, die Beratung diene der Gefahrenabwehr. Wird die Beratung nicht wahrgenommen, wird dies als Ordnungswidrigkeit gewertet. Die jahrzehntelange Erfahrung aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst ebenso wie der Aids-Prävention zeige jedoch, dass Gesundheitsämter so anonym und niedrigschwellig beraten und untersuchen sollten, wie möglich. Alles andere schrecke ab und erreiche die Betroffenen nicht.

DSC_8841_klein

 

FREIWILLIGE BERATUNGSANGEBOTE

Auch Anja Kasten vom Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) sprach sich klar für freiwillige Beratungsangebote aus. Sie kritisierte insbesondere die geplante Anmeldepflicht. Sie befürchtet einen „Hurenausweis“ und eine Ausweitung von Kontrollen und Repressionen. Die meisten Prostituierten wollten nicht auf staatlichen Listen stehen. Der Datenschutz sei zu bezweifeln und das Auffinden von Menschenhandelsopfern sehr unwahrscheinlich. Insgesamt würde der Gesetzentwurf der Realität der Prostituierten nicht gerecht und ihre Arbeit erschweren.

Dr. Anja Schmidt von der Universität Leipzig kritisierte den Gesetzesentwurf, eine Regulierung hielt sie jedoch grundsätzlich für sinnvoll. Durch präzise Regelungen könne es auch zu einer Entstigmatisierung kommen. Die Anmeldepflicht und verpflichtende Beratung sah sie ebenfalls als kritisch an. Sie schlug vor, Prostitutionsstätten als eigenen Punkt ins Gewerberecht aufzunehmen.

GESETZENTWURF DRÄNGT FRAUEN IN DIE ILLEGALITÄT

Ulle Schauws moderierte die lebhafte Diskussion. Sie zog das Fazit, dass der Gesetzentwurf klar sein Ziel verfehlt, den hohen Schutz für Prostituierte zu gewährleisten. Was Ministerin Schwesig nach zähen Verhandlungen in der Großen Koalition präsentiert hat, ist ein Gesetzentwurf, der vorgeblich Zwangsprostitution aufdecken soll, stattdessen aber viele Frauen in die Illegalität drängen wird. Menschenhandel ist mit diesem Gesetz nicht zu stoppen.

GRÜNE IM BUNDESTAG FORDERN WEITERENTWICKLUNG DES PROSTITUTIONSGESETZES

Die grüne Bundestagsfraktion hat Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Prostitutionsgesetzes in ein Prostitutionsstättengesetz in ihrem Positionspapier „Prostituierte schützen und stärken“ eingebracht. Prostitutionsstätten sollen als Gewerbebetriebe reguliert werden, kontrolliert durch die Gewerbeämter. Sie unterlägen so einer Genehmigungspflicht, was auch die Überprüfung der Bordellbetreibenden beinhaltet. Niedrigschwellige mehrsprachige Beratungsangebote sollen ausgebaut werden. Wir setzen dabei auf Angebote, nicht auf Verpflichtungen und Verbote. „Runde Tische Prostitution“ aus Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Hamburg zeigen, dass ein Austausch aller Beteiligten zu sinnvollen Konzepten für die Situation vor Ort führt und Vorurteile abbaut.

Wir werden die Impulse aus dem Fachgespräch in die weitere parlamentarische Auseinandersetzung einbringen.
Weitere Informationen finden Sie hier.