Rede zum Kulturhaushalt 2016

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Ulle Schauws, BÜNDNIS 90/Die Grünen.

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Kulturpolitisch war in letzter Zeit viel von großen Plänen und Namen zu hören, leider weniger von handwerklich guten Konzepten oder nachhaltigen Strukturlösungen. Aber es kann und darf bei dem Auftrag, den die Bundeskulturpolitik hat, nicht nur um schnelle Erfolge und leere Ankündigungen gehen.

Ein erstes Paradebeispiel ist die ausstehende Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes. Hier war im Sommer die Aufregung groß. Die Feuilletons waren voll davon. Da stellt man sich die Frage: Warum war das so? Weil unsinnige Neuregelungen bei Künstlern und Sammlern Panikreaktionen ausgelöst haben. Es ging um private Leihgaben in öffentlichen Museen, es ging um die Rechte auf Zutritt zu privaten Sammlungen. Diese Regelungen, Frau Staatsministerin, befanden sich in einem Referentenentwurf Ihres Hauses. Jetzt müssen Sie unter Hochdruck nachbessern. Da sage ich Ihnen: Das war nicht nur handwerklich ganz schlecht, sondern das hätte Ihnen so auch nicht passieren dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einmal ganz abgesehen von Ihrer miserablen Kommunikation. Es bei einem so hart umkämpften Gesetz zu versäumen, das Warum und das Wie von Regelungen verständlich zu erklären, war ein eklatanter Fehler. Sie haben unnötig Öl ins Feuer der Händlerlobby gegossen. Hier hätte ich mir von einer Staatsministerin – das muss ich ganz ehrlich sagen – mehr Weitblick und einen professionelleren Umgang erwartet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit massivem Widerstand durch die Händlerlobby war zu rechnen; das haben Sie gewusst. Das hat bereits die Umsetzung des Kulturgüterrückgabegesetzes 2007 gezeigt. Die wichtigen Fragen, zum Beispiel unter welchen Voraussetzungen Kulturgut zukünftig als national wertvoll eingetragen wird, lassen Sie weiter offen. Hier bestätigt sich Ihre Vorgehensweise: Großes ankündigen, nicht entsprechend inhaltlich nachliefern.

Noch ein Thema der Kategorie „Schöner Plan – fehlendes Konzept“ steht auf der kulturpolitischen Agenda: das Humboldtforum; Sie haben es eben wieder erwähnt. Auch hier hören wir von der Bundesregierung vor allem euphorisierte Superlative. Mit dem Gründungsintendanten Neil MacGregor steht uns herausragende Kompetenz zur Verfügung; ganz ohne Frage. Das ist gut, aber das reicht ja nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis heute haben Sie konzeptionell immer noch nichts Substanzielles geliefert. Offen bleibt neben dem Inhalt außerdem die zukünftige Finanzierung.

Auch bei TTIP sind wir Zeuginnen und Zeugen einer Kulturpolitik, die Großes verkündet und erst dann schaut, wohin die Reise geht. Sie behaupteten, Frau Staatsministerin, die Kultur könne von den Verhandlungen durch eine Generalklausel ausgenommen werden. Haben Sie konkret etwas dazu gemacht? Wir haben seitdem nichts mehr von Ihnen dazu gehört.

Das Gutachten unserer Fraktion zu den möglichen Auswirkungen von TTIP auf den Kulturbereich hat gezeigt: Die Verhandlungsstrategie der USA lässt eine solche Ausnahme überhaupt nicht zu. Ich sage Ihnen: So bedeutende Verhandlungen können Sie nicht laufen lassen nach dem Motto „Wird schon gut gehen“. Das reicht uns, das reicht auch den Kulturleuten nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wir von einer Kulturstaatsministerin erwarten – und zu Recht erwarten können –, sind eine nachhaltige Kulturpolitik und eine Vision für morgen. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ich frage Sie: Wo finden wir die im Koalitionsvertrag angekündigte konzeptorientierte Kulturförderung, wo die Analysen und Statistiken einer verstärkten Kulturpolitikforschung und die angekündigten Maßnahmen zu Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und interkultureller Öffnung von Kulturbetrieben? Gerade jetzt, da uns alle das Thema „Flucht vieler Menschen“ beschäftigt, da es uns alle angeht – viele von Ihnen haben es heute erwähnt –, ist auch die Kulturpolitik der Regierung gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Ich hoffe, dass wir Ihre Konzepte dazu bald bekommen werden. Ich sage noch einmal: Große Pläne brauchen gute und nachhaltige Konzepte. Das ist im BKM eine große Leerstelle. Darum, Frau Grütters: Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Sie haben nur noch zwei Jahre Zeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)