Rede zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner am 22.05.2014

Die Rede in Schriftform:


Ulle Schauws
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Anhörung des Rechtsausschusses am 5. Mai waren die Sachverständigen einhellig der Meinung, dass allein das Kindeswohl Maßstab der Adoption sein darf.

Ich glaube, darüber sind auch wir uns hier alle einig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Mehrheit der von Ihnen, von Union und SPD, eingeladenen Sachverständigen hat im Rechtsausschuss aber auch klar gesagt, die sexuelle Orientierung der Eltern sei für die Entwicklung eines Kindes unbedeutend; entscheidend sei vielmehr die Qualität und Festigkeit einer Partnerschaft.

Und auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar bejaht, dass Lebenspartner gute Eltern sind. Es wies unmissverständlich Bedenken zurück, dass Kindern das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schaden könnte. Es ist vielmehr – ich zitiere – „davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie in einer Ehe“.

Wenn also nach der überwiegenden Auffassung das Kindeswohl bei einer Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner nicht gefährdet ist, frage ich mich, warum nach Ihrem Gesetzentwurf im Ergebnis Ehegatten nur gemeinschaftlich, aber nicht einzeln, Lebenspartner dagegen nur einzeln, aber nicht gemeinschaftlich ein Kind adoptieren dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das ist nicht nur völlig absurd und widerspricht dem gesunden Menschenverstand; Sie verstoßen mit Ihrem Gesetzentwurf meines Erachtens und unseres Erachtens sehr wohl auch gegen die Verfassung, und zwar doppelt:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Erstens verstoßen Sie gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie benachteiligen adoptierte Kinder in einer Lebenspartnerschaft und die Lebenspartnerinnen und -partner durch Verweigerung der gemeinschaftlichen Adoption. Zweitens verstoßen Sie gegen Artikel 6 des Grundgesetzes; denn Sie benachteiligen bei der Ausgestaltung der Sukzessivadoption Ehepaare gegenüber Lebenspartnerschaften, weil Ehegatten anders als Lebenspartner ein Kind nicht alleine adoptieren dürfen.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt doch eines ganz klar: Der Diskriminierungswille der Union gegenüber Lesben und Schwulen geht so weit, dass Sie für die Benachteiligung der Lebenspartner an anderer Stelle Ehen gegenüber Lebenspartnerschaften benachteiligen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das ist eine Bankrotterklärung der großkoalitionären Rechtspolitik, und der Herr Bundesjustizminister macht das klaglos mit.

Was bewegt Sie also, diesen mutlosen und nach meiner Auffassung zudem verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorzulegen? Wie groß ist die Abneigung bei Ihnen gegenüber Lesben und Schwulen, dass Sie mit Händen und Füßen jegliche Form von rechtlicher Gleichstellung immer wieder abwehren, dass Sie das Bundesverfassungsgericht, das ausdrücklich keinen Unterschied zwischen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften in Bezug auf die Adoption macht, immer wieder ignorieren und dass Sie die mehrheitlich befürwortende Meinung in unserer Gesellschaft für gleiche Rechte für Lesben und Schwule ausblenden?

Ich nenne es mal beim Namen: Es geht hier um Ihre Angst. Es geht um Ihre Angst, dass Menschen, die ganz normal lesbisch und schwul lieben und leben und ganz selbstverständlich Verantwortung für Kinder tragen,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ich habe kein Problem damit!)

mit Ehegatten in der traditionellen Ehe auf Augenhöhe kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es geht hier schlicht um Homophobie. Es geht um die Fortsetzung von Diskriminierung, und die hat in einem Gesetz nichts zu suchen. Ihr Gesetzentwurf ist gerade jetzt, wo homophobe Strömungen in ganz Europa Zulauf haben, durchaus auch politisch brisant. Denn sie halten damit Türen offen für Vorurteile gegenüber Lesben und Schwulen.

Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, Gleichbehandlung aktiv zu fördern und ein klares Bekenntnis zu Toleranz und demokratischen Grundwerten abzugeben. Aber was tun Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD? Von Ihrem Versprechen „100 Prozent Gleichstellung nur mit uns“ sind heute genau 0 Prozent geblieben.

(Burkhard Lischka [SPD]: Das ist Unsinn! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt ja nun nicht!)

Wie glaubwürdig sind Ihre Lippenbekenntnisse vom Internationalen Tag gegen Homophobie? Was wollen Sie beim nächsten CSD denn zu diesem Gesetzentwurf sagen?

Darum appelliere ich an Sie alle: Entscheiden Sie sich für das Kindeswohl. Entscheiden Sie sich für unser Grundgesetz und für die dort verankerte Gleichheit aller Menschen. Sprechen Sie heute Lesben, Schwulen und ihren Kindern den Respekt aus, den sie verdienen, und stimmen Sie unserem grünen Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)