Rede zur Chancengleichheit von Frauen und Männern am 14.03.2014

Die Liste der gleichstellungspolitischen Versäumnisse der letzten Jahre ist nach wie vor lang, hier meine Rede zur Chancengleichheit von Frauen und Männer im Deutschen Bundestag

Die Rede in Schriftform:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Zeitungen bin ich in der letzten Woche auf zahlreiche Werbeanzeigen der Blumenund Parfumindustrie anlässlich des Weltfrauentages gestoßen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Tag mittlerweile zu einem Konsumtag verkommt, bei dem es rein um Profit geht: Hotels bieten Wellnesspakete für das gestresste weibliche Geschlecht an; Discos werben gar mit Männerstripshows. Das ist ernüchternd; denn dadurch werden der politische Hintergrund dieses Tages und die Erinnerung an den Kampf um Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht vor über 100 Jahren vergessen. Darum ist es dringend notwendig und richtig, hier und heute über dieses Thema zu debattieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Liste der gleichstellungspolitischen Versäumnisse der letzten Jahre ist nach wie vor lang. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaft haben es uns ja gerade wieder gezeigt: Der Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ist nach wie vor gering. In den DAX-30-Unternehmen stieg er in den Aufsichtsräten auf gerade einmal 22 Prozent und in den 200 umsatzstärksten Unternehmen auf 15 Prozent, aber gleichzeitig sank in den DAX-30-Unternehmen der Anteil von Frauen in den Vorständen, und zwar auf geringe 6,3 Prozent, die 200 größten Unternehmen in Deutschland wiederum bringen hier nur einen Frauenanteil von 4 Prozent hervor. Ein ähnlich ambivalentes Bild zeigt sich auch in Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Diese Daten machen eines unmissverständlich klar: Die Wirtschaft tut sich immer noch schwer, maßgebliche Schlüsselpositionen mit Frauen zu besetzen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, jetzt haben Sie eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte angekündigt und sich dafür mit großem Getöse bereits Ende letzten Jahres feiern lassen. Minister Maas und Ministerin Schwesig wollten schon letzte Woche hierzu Eckpunkte vorlegen; gesehen haben wir davon bis heute leider noch nichts. Es greift aber viel zu kurz, nur ein Drittel Frauen ab 2016 nur für die Neubesetzung von Aufsichtsräten in voll mitbestimmten und börsennotierten Unternehmen einzufordern; denn solch eine kleine Quote tangiert lediglich 120 Unternehmen. Sie würden damit nur sehr wenigen Frauen an die Spitze verhelfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Tatsache, dass ein breites Bündnis von Frauen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft schon in der letzten Wahlperiode 30 Prozent gefordert hat, klingt dieser Vorschlag ziemlich mutlos. Mit anderen Worten: Ein halbherziges Quötchen auf leisen Pfötchen, das ist vor allem eines, nämlich eine riesengroße verpasste Chance für Frauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Grünen-Fraktion fordern eine Mindestquote in Aufsichtsräten von 30 Prozent ab 2015 und 40 Prozent ab 2017. Dies fordert übrigens auch die EU-Kommission. Bei der Besetzung von Vorständen wollen wir die Erhöhung des Frauenanteils mit gesetzlichen Maßnahmen fördern. Zudem muss das Bundesgremienbesetzungsgesetz überarbeitet werden; denn Unternehmen mit Bundesbeteiligung sollten selbstverständlich ihre Vorbildrolle bei der Beteiligung von Frauen in Führung ausfüllen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber uns ist wichtig, dass Frauen auf allen Ebenen in Führungspositionen vertreten sind. Denn sie stecken nach wie vor in den unteren und mittleren Unternehmensebenen fest. Die gläsernen Decken sind immer noch existent – Sie sagten es eben, Frau Ministerin –, und zwar in der Privatwirtschaft, in der Wissenschaft, in den Medien, in der Medizin. Die Liste ließe sich fortsetzen. Diese Verschwendung von Potenzialen und Fähigkeiten von Frauen können wir uns gesellschaftlich und auch ökonomisch nicht leisten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber ich sage eines auch ganz klar: Es geht hier in erster Linie um Gerechtigkeit für Frauen. Wir alle sind gefordert, von der Regierung Meilensteine für geschlechtergerechte Maßnahmen zu fordern, und zwar jetzt, umgehend.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Abschaffung überlanger Arbeits- und Anwesenheitszeiten in Unternehmen. In Schweden zum Beispiel finden keine Gremiensitzungen nach 16 Uhr statt. Da gehört es zur Arbeitskultur, wenn Frauen und Männer der Familie am Nachmittag und Abend den Vorrang geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wöchentlich erreichen uns neue Zahlen zur Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Richtig bleibt: Zwei Drittel der insgesamt 7 Millionen Beschäftigten in Minijobs sind Frauen. Im Jahr 2012 haben nur 45 Prozent der Frauen durch eigene Erwerbs- und Berufstätigkeit ihren Lebensunterhalt decken können. 45 Prozent, einmal ehrlich! Minimalistischste Steigerungen bei der Erwerbsquote sind kein riesiger Fortschritt für Frauen und führen mitnichten zu dem sogenannten guten Leben, schon gar nicht mit kleinen Einkommen. Fakt ist: Frauen sind in erheblichem Maße benachteiligt. Sie verdienen im Durchschnitt 23 Prozent weniger als Männer. Da sage ich: Es ist zynisch, dass Sie das Problem der Minijobs, die Sackgasse für viele Frauen, nicht anpacken und Frauen nur mit verbesserten Informationsangeboten abspeisen wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Davon haben zum Beispiel Alleinerziehende, deren Armut weiter steigt, gar nichts. Ernsthafter politischer Gestaltungswille sieht anders aus. Dazu gehört auch endlich die schnelle Abschaffung der Entgeltdiskriminierung. Ich finde es sehr enttäuschend, dass Sie in Ihrem Antrag hier und heute als einzige sehr konkrete Forderung einen zweiten Gleichstellungsbericht einfordern, und dies auch noch unter Haushaltsvorbehalt. Fordern Sie Ihre Ministerien doch erst einmal auf, die Empfehlungen des ersten Gleichstellungsberichtes umgehend zu realisieren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben genug Zahlen, Sie kennen die Statistiken, die Analysen liegen klar vor Ihnen. Jetzt, wo Sie die Mehrheiten haben, sind Sie auch in der Pflicht, zu handeln. Tun Sie es einfach!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)