Integrations-Dialoge: Flucht, Frauen und offene Gesellschaft

Im Namen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen lud Ulle Schauws am 16.11.16 zur Veranstaltungsreihe Integrations-Dialoge in Bremen ein. Mit den Integrations-Dialogen tritt die Grüne Fraktion in den direkten Austausch mit Bürger*innen und Akteur*innen vor Ort, um aktiv die Debatte um Teilhabe und Integration mitzugestalten.

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Die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend, Frauen und Sport, Anja Stahmann von Bündnis90/Die Grünen, ist in Bremen für die Neuankommenden zuständig. Im Oktober, so beschrieb sie es in ihrer Begrüßung, wurde ein Gewaltschutzkonzept für Unterkünfte von Geflüchteten verabschiedet (Link), das in Zusammenarbeit mit Frauen-Initiativen vor Ort erarbeitet wurde. Sie wünscht sich oft stärkere Unterstützung vom Bund, aber auch die Länder können aktiv werden. So finanziert Bremen beispielsweise die Kinderbetreuung für Frauen, die an Sprachkursen teilnehmen.

Mageda Abou-Khalil berichtete über ihre eigene Flucht aus dem Libanon und dem harten Ankommen in Deutschland. Sie beschrieb, wie unterschiedlich die Voraussetzungen und die Bedürfnisse geflüchteter Frauen sind. Sie leitet drei Wohnheime für Geflüchtete in Bremen und beschreibt wie wichtig Schutzräume für Frauen sind. Sie betont einen weiteren Aspekt: die Nachbetreuung. Wenn Frauen das Wohnheim verlassen, sind sie auf sich allein gestellt, auch hier sieht sie noch Bedarfe, der bisher wenig Berücksichtigung fand.

Die Journalistin, Bloggerin und Netz-Aktivistin Kübra Gümüşay machte den Aspekt der Sprache stark. Wer nicht spricht werde nicht gehört und so komme es dazu, dass geflüchtete Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung unsichtbar bleiben. Sprechen und das Erlernen der Sprache sei elementar. Es müsse die Struktur geschaffen werden, damit sich geflüchtete Frauen emanzipieren und Gehör verschaffen könnten. Deswegen müssten Angebote für Frauen auch an ihren Bedürfnissen orientiert sein und nicht nur daran, sie funktionsfähig für den Arbeitsmarkt zu machen. Sie plädierte dafür, die Debatte um Integration zu beenden und eine Debatte über die Gesellschaft zu führen. Denn an gesellschaftlichen Werten würde gerade stark gerüttelt und es sei wichtig, Vielfalt als Erzählung dieser Gesellschaft stark zu machen.

Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik und Kulturpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, beschrieb den politischen Auftrag im Umgang mit Geflüchteten. Es sei wichtig zu schauen, was im Besonderen Frauen und Mädchen brauchen. Alle politischen Ebenen müssten dafür Sorge tragen, diese Infrastruktur bereit zu stellen. Viel selbstverständlicher müssten geschlechtsspezifische Fluchtgründe und -erlebnisse mitbedacht und spezielle Bedürfnisse der Frauen, ebenso auch die von gefährdeten Personen wie Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexuellen Menschen berücksichtigt werden. Dies sei eines der großen Versäumnisse der Bundesregierung, die sich dagegen gestellt habe. Sie erläuterte, wie die Grünen aus der Opposition heraus versuchten, gegenzusteuern. Ulle Schauws sprach sich deutlich und mit Blick auf die Fehler der 90er Jahre dafür aus, geflüchtete Frauen, von denen viele arbeiten wollten, nicht nur für Berufe im Pflegesektor zu qualifizieren. Es sei immer wieder bemerkenswert – und dies habe sich auch im Besuch des Übergangswohnheimes in Bremen wieder einmal gezeigt – wie gut Frauen sich und ihre Familien organisierten. Daher müsse der Fokus auch darauf liegen, Frauen zu empowern, wie es in Bremen an vielen Stellen mit guten Netzwerken bereits gemacht würde.

Dr. Sonya Dase, Leiterin des IQ-Netzwerkes in Bremen, betonte ebenfalls wie wichtig Sprache und Sprachbildung für die gesellschaftliche und berufliche Integration sei. Sie wies darauf hin, dass Sprachkurse allein jedoch nicht ausreichen, da für die berufliche Integration auch kontextwissen und spezielle Kenntnisse notwendig seien. Deswegen plädierte sie dafür Sprache und Beruf eng zu verzahnen. Arbeit sei als Teil der Integration sehr wichtig, sie unterstützt Neuankommende bei der Anerkennung von ausländischer Berufsqualifikation, sprach über die Schwierigkeit der Übertragbarkeit von Abschlüssen. Sie lobte den Zuschuss für die Verfahren der Anerkennung und dass Betriebe beginnen würden nicht mehr nur auf Zertifikate zu setzen. Auch müsse anerkannt werden, dass die berufliche Integration Zeit benötige und Frauen die beispielsweise 2011 gekommen seien, nun beruflich integriert seien.

In der Diskussion wurde deutlich, dass Frauen, die mit einem guten Bildungsstand nach Deutschland kommen und Frauen, die (noch) keine Kinder haben, eine Integration in den Arbeitsmarkt leichter gelingt. Besonders für Frauen ohne Schulabschluss bedürfe es Angebote und Strukturen, damit sie Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.
Viel Lob gab es in der Debatte für Bremen und die Senatorin Anja Stahmann. Die Vertreterinnen der verschiedenen Bremer Frauenorganisationen, sozialen Verbänden und der Universität stellten heraus, dass sich seit ihrer Amtszeit vieles zum Positiven verändert habe.