Rede zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ständiges Auflauern, Telefonterror, permanente E-Mails – wie in einem schlechten Film, und der will nicht enden: Die Fantasie von Stalkern und Stalkerinnen ist nahezu unbegrenzt, um ihren Opfern oft jahrelang nachzustellen. Rund 20 000 Anzeigen gab es laut Kriminalstatistik aus dem Jahr 2015, die Dunkelziffer liegt viel höher.

Die meisten Opfer von Stalking sind in ihrer Lebensführung stark eingeschränkt und nicht selbstbestimmt. Ihr Alltag wird dominiert vom Gefühl der Bedrohung und der Angst. Viele erleiden schwerwiegende körperliche und seelische Schäden. Traumatisierungen sind oft die Folge. Insoweit war es gut, dass der sogenannte Nachstellungsparagraf, § 238, 2007 endlich in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Aber für die meisten Stalkingopfer blieb dieser Paragraf bis heute eine Enttäuschung. Die Verurteilungsrate lag nach der Kriminalstatistik von 2014 nur bei etwa 20 Prozent. Das ist alarmierend. So geht es nicht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die meisten Täter kommen davon, weil die rechtlichen Hürden für eine Verurteilung zu hoch sind, eben weil die Opfer eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung nachweisen müssen, und das kann nicht sein. Den Opfern darf nicht länger zugemutet werden, letztlich ihr ganzes Leben umkrempeln zu müssen, bevor Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das widerspricht auch dem Opferschutz.

Insofern begrüße ich grundsätzlich den Vorstoß aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Das war überfällig. Es muss alles getan werden, damit Opfer von Stalking wieder selbstbestimmt leben können. Ihr Gesetzentwurf enthält durchaus Verbesserungen, zum Beispiel die Umwandlung des Privatklagedelikts in ein Antragsdelikt. Doch insgesamt greift er noch zu kurz, um tatsächlich und konsequent helfen zu können. Meine Kollegin Katja Keul hat das eben bereits ausführlich dargestellt.

Wir schlagen deshalb Ergänzungen und eine Erweiterung im Gewaltschutzgesetz vor. Es muss umfassender Schutz ermöglicht werden. Darum muss es gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine Tatsache, dass Frauen sehr viel häufiger von Stalking betroffen sind. 80 Prozent der Opfer sind weiblich, 86 Prozent der Täter sind männlich. Meist trifft es Frauen, die sich von ihren Partnern getrennt haben. Dass Expartner die Trennung nicht akzeptieren können und versuchen, weiter Kontrolle über die Frau auszuüben, macht deutlich: Es geht um das Thema Macht und Besitztum. Bei Stalking handelt es sich auch um eine geschlechtsspezifische Problematik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besserer Rechtsschutz für Opfer ist unabdingbar. Darüber hinaus bedarf es eines funktionierenden Hilfenetzes. Es müssen weitere Fachberatungsstellen auf- und ausgebaut werden, in denen Betroffene Unterstützung und Hilfe im Umgang mit Stalking erhalten können, ebenso Beratung und Hilfe bei rechtlichen Schritten. Auch die wichtigen Schulungen von Justiz und Polizei sollten weiter intensiviert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nur mit effektivem Rechtsschutz und guten Beratungsstrukturen kann ein wirksamer Opferschutz erreicht werden. Dafür müssen Sie alles tun. Dafür müssen wir alle gemeinsam auch die gesellschaftliche Sensibilisierung voranbringen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

 

Hier die Rede als Video: