Rede zum Kulturhaushalt 2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das nächste Haushaltsjahr gibt es mehr Geld für die Kultur – das klingt gut. Aber wie sagt man so schön? Geld allein macht nicht glücklich.

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kulturpolitik ist nämlich mehr, Kollegin Lotze, als die direkte Förderung von Kultureinrichtungen, Kulturveranstaltungen, Kunstwerken oder vor allem Künstlerinnen.

Kulturförderung ermöglicht der Kunst und der Kulturarbeit auch die Auseinandersetzung mit sozialen und kulturellen Problemen und Herausforderungen. Und – das ist ein wichtiger Punkt gerade in diesen Zeiten – Kulturförderung ist eben auch Demokratieförderung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Freiheit der Kunst ist niemals verhandelbar, und ebenso ist die kulturelle Vielfalt elementar für eine lebendige Demokratie.

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und dabei meine ich nicht allein die Debatten in der Kulturpolitik über TTIP und CETA. Ich denke auch daran, wie es um die kulturelle Vielfalt jenseits der Ballungsgebiete in Deutschland steht. Da stellen wir wieder fest, dass allein 40 Prozent des Kulturhaushaltes nach Berlin fließen. Finden Sie das wirklich verhältnismäßig, Frau Staatsministerin? Berlin ist die Hauptstadt, ja, aber Berlin ist nicht der Nabel der Welt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Im Sinne einer Politik der Zukunftsinvestitionen und Lebensqualität müssen Sie Kultur in ländlichen Räumen dringend aufwerten und ernster nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hier fehlt, sind eine Linie und eine Strategie. Stattdessen verliert sich Ihre Förderung häufig im Klein-Klein: eine Modellförderung hier, ein Wettbewerb da.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wegen dem Grundgesetz! Wegen der Kompetenzen! Eigentlich ist das Ländersache!)

Das, Frau Staatsministerin, ist kein nachhaltiger Anreiz für die Kulturförderung.

Im Kampf um ihren Erhalt brauchen Kulturschaffende, -vereine und -verbände längerfristige Perspektiven. Wir alle wissen, dass die Kulturfinanzierung vor Ort vielfach prekär ist. Da vermisse ich tatsächlich den Willen bei Ihnen, einen ernsthaften Beitrag zur Lösung dieses Problems zu liefern. Ebenso, wie es die Kollegin gerade getan hat, verweise ich darauf: Das Kooperationsverbot als ewige Rückfalloption in dieser Debatte ist zu wenig, und das wissen Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Kulturprojekte schätzen sich glücklich, dass die Arbeit vor Ort vielfach von einem breiten Bündnis an ehrenamtlichem Engagement getragen wird. Aber es ist die Aufgabe der Politik, dieses bürgerschaftliche Engagement all jener, die sich mit den Mitteln von Kunst und Kultur für eine offene Gesellschaft einsetzen, in seiner Vielfalt und Unabhängigkeit zu stärken. Klar ist auch: Professionelle Strukturen ersetzen darf das Ehrenamt nicht. Gerade im Bereich der kulturellen Bildung und der interkulturellen Kulturarbeit sind die Potenziale auch im ländlichen Raum enorm. Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation brauchen wir dringend nachhaltige Infrastrukturen und endlich eine interkulturelle Öffnung der Kulturlandschaft.

(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kultur kann kurzfristig Willkommensräume bereitstellen. Aber es muss darum gehen, langfristig gleichberechtigte Teilhabe für alle zu ermöglichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kultur hat einen Eigenwert, und jeder Mensch, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts oder Alters, muss die Möglichkeit haben, sich kulturell zu bilden. Was wir brauchen, ist eine klare Prioritätensetzung der Bundesregierung zugunsten der kulturellen Teilhabe und damit auch der kulturellen Vielfalt. Das wäre dringend geboten.

Zum Schluss noch ein Punkt, der nicht wirklich nachvollziehbar ist. Endlich liegt uns – Sie sagten es eben, Frau Staatsministerin – die aktuelle Studie zur Situation von Frauen in Kultur und Medien vor. Die hatten wir Grüne ja schon 2014 gefordert. Jetzt liegen endlich die Fakten auf dem Tisch. Alle sind sich einig: Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, weil Frauen im Kulturbetrieb sowohl bei den Einkommen als auch strukturell immer noch stark benachteiligt sind. Und was machen Sie jetzt, Frau Grütters? Sie schlagen einen runden Tisch vor. Sie laden dazu in diesem Jahr ein, um zu diesen Ergebnissen und Lösungsvorschlägen der Studie erst einmal weitere Ideen zu diskutieren und zu entwickeln. Ich frage Sie: Warum setzen Sie nicht einen Teil der Vorschläge direkt um? Was hält Sie davon ab, konkrete Maßnahmen konzeptionell bereits jetzt anzugehen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das klingt nicht ambitioniert. Ich nenne es einmal beim Namen: Das ist ein Spiel auf Zeit. Da erwarten die Frauen im Kulturbetrieb und auch wir mehr von Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Hier die Rede als Video zum Ansehen: