Rede zur Stärkung von Prostituierten

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig – sie ist nicht anwesend –, ich erinnere mich gut an Ihre Ankündigung, ein Gesetz mit klaren Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland vorzulegen, die dem Schutz der Frauen dienen. Das waren die Worte der Ministerin. Wir können festhalten: Das ist Ihnen nicht gelungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach zwei Verhandlungsjahren steckt der Entwurf eines Prostitutionsgesetzes in einer totalen Sackgasse. Sie und die Union haben es nicht hinbekommen, sich wenigstens auf klare Ziele zur Verbesserung der Arbeitssituation von Prostituierten zu verständigen. Dieses Desaster ist Ihre Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Ministerin, den Namen „Prostituiertenschutzgesetz“ hat Ihr Gesetzentwurf mitnichten verdient. Es geht darin nicht um den Schutz von Prostituierten. Im Gegenteil: In erster Linie geht es um Entmündigung und die Fortsetzung der Stigmatisierung von Prostituierten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Jetzt wurden Sie von der Realität der Praxis eingeholt. Die Länder haben Alarm geschlagen, weil der Gesetzentwurf zudem Folgendes ist: ein teures Bürokratiemonster für die Kommunen, ein Bürokratiemonster, das keiner Prostituierten nutzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Kritik richtet sich vor allem dagegen, dass sich Prostituierte für jede sexuelle Dienstleistung verpflichtend anmelden sollen, auch wenn sie nur gelegentlich stattfindet. Hinzu kommt: Die Behörde kann bei der Anmeldung eine Beratungsstelle hinzuziehen ohne Einverständnis der Prostituierten. Das ist paternalistisch und beschneidet das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten. Mit der Pflicht zur Anmeldung drängen Sie Prostituierte durchaus in die Illegalität, mit der Konsequenz, dass ihnen dann jeglicher Schutz fehlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Vor allem Sie von der Union behaupten, eine verpflichtende Gesundheitsberatung sei hilfreich für die Prostituierte. Glauben Sie das wirklich, Kollegin Pantel? Glauben Sie wirklich, dass zum Beispiel mögliche Opfer von Menschenhandel entdeckt werden können, weil sie sich in einer Behörde in einem Gespräch jemand Fremdem anvertrauen? Selbst in Fachberatungsstellen für Menschenhandel brauchen Betroffene Monate, um Vertrauen zu fassen und sich zu öffnen. Hier zeigt sich, so finde ich, eines sehr klar: Es geht Ihnen um Kontrolle.

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Es geht um Schutz!)

Es geht Ihnen nicht darum, Prostituierten wirklich zu helfen. Darum geht es Ihnen nicht. Nein, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)

Ihre Vorschläge – das kommt hinzu; so argumentieren Sie seit Monaten – bieten keine Lösung gegen Menschenhandel und gegen Zwangsprostitution. Die Menschenhändler brauchen die Prostituierten nur zur Anmeldung und zur Gesundheitsberatung zu schicken und entziehen sich jedem Verdacht. Sie riskieren mit Ihrem Vorschlag, dass Zuhälter unter dem Deckmantel der Legalität Frauen als Zwangsprostituierte missbrauchen, anstatt wirksam gegen Menschenhandel vorzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen das denn zusammengeschrieben?)

– So ist das.

Wir Grüne fordern – das sage ich in aller Deutlichkeit –, dass Sie die Menschenhandelsrichtlinie endlich umsetzen;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn Ihr Zögern geht auf Kosten der Opfer. Was wir brauchen, sind effektive Maßnahmen, die die Strafverfolgung verbessern und die Opfer stärken. Entkoppeln Sie endlich das Aufenthaltsrecht von der Aussagebereitschaft der Opfer!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Erweitern Sie die Opferentschädigungsrechte, und überarbeiten Sie den Straftatbestand „Menschenhandel“, damit er endlich praxistauglich wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Liebes Ministerium, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, Ihre Aufgabe ist simpel: Legen Sie den unstrittigen Teil Ihres Gesetzentwurfs vor, nämlich den, der den Schutz von Prostituierten verbessert, das Prostitutionsstättengesetz. Genau darauf zielt unser grüner Antrag ab: eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten mit Schutzregelungen, Geschäftsplan, Dokumentationspflichten und Überprüfung der Bordellbetreibenden. So können unter anderem auch ausbeuterische Geschäftsmodelle erkannt und unterbunden werden. Sorgen Sie dann noch dafür, dass die freiwillige Beratung bundesweit ausgebaut wird. Gehen Sie hier mit, damit das gesamte Vorhaben, das vor zwei Jahren auf den Weg gebracht wurde, jetzt nicht gegen die Wand fährt.

Unsere Forderung ist Teil Ihres eigenen Vorschlags zur Regulierung von Prostitutionsstätten. Sie haben es in der Hand, diese Reform jetzt nicht scheitern zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])