Rede zur Entgeltgleichheit

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Am Dienstag wurde die Kampagne zum Equal Pay Day 2016 unter dem Motto „Was ist meine Arbeit wert?“ gestartet. Der wird im kommenden Jahr am 19. März begangen. Wir wissen, dass er jetzt einen Tag früher stattfindet. Wir wissen auch, warum.

Das ist seit vielen Jahren ein wiederkehrendes Ereignis – seit zu vielen Jahren. Es klingt schon fast wie ein Mantra: Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt 22 Prozent, bereinigt 7 Prozent. Das kann nicht sein. Die Stagnation, die Fortsetzung ungleicher und unfairer Bezahlung für Frauen in Deutschland brauchen jetzt ein Gegensteuern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wie die bestbezahlte US-Schauspielerin Jennifer Lawrence aktuell scharf kritisierte, verdienen zum Beispiel auch in Hollywood Schauspielerinnen deutlich weniger als männliche Kollegen – Ernüchterung in der Traumfabrik.

Das sind aber die gleichen diskriminierenden Mechanismen wie beim Gender Pay Gap hier. Dass Frauen schlichtweg schlechter bezahlt werden, weil sie Frauen sind, bleibt für mich nach wie vor unfassbar. Für diese Ungerechtigkeit gibt es keine sachlichen Gründe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber es gibt einige Ursachen, die ich benennen möchte:

Erstens. Frauen arbeiten häufiger in sozialen und Dienstleistungsberufen, in denen deutlich weniger gezahlt wird als in der Industrie und in vielen anderen Bereichen wie in der Baubranche, also in den sogenannten typischen Männerberufen. Das kann nicht so bleiben. Hier muss gerecht bewertet und müssen soziale Berufe mehr wertgeschätzt werden. Das heißt ganz klar: besser bezahlen; denn körperliche und psychische Belastungen können bei der Bezahlung nicht länger unterbewertet oder gar außer Acht gelassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Frauen steigen wie Männer in Vollzeit ins Berufsleben ein. Das ändert sich in der Regel, wenn sie Kinder bekommen Über 45 Prozent der Mütter arbeiten dauerhaft in kleiner Teilzeit oder in Minijobs. Dabei gibt es ganz selten Chancen auf Karriere. Die Teilzeitbeschäftigung wird häufig schlechter und oft nicht der Qualifikation entsprechend bezahlt. Die Folge ist: Frauen haben dadurch kein existenzsicherndes Einkommen und verdienen im Lebensverlauf auf das gesamte Erwerbsleben gesehen rund 40 Prozent weniger als Männer. Die Rentenlücke liegt bei 57 Prozent. Das Risiko von Alleinerziehendenarmut und Altersarmut ist für Frauen sehr hoch. Das müssen wir schnellstmöglich ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Nadine Schön (St. Wendel) [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb brauchen wir nicht nur ein Entgeltgleichheitsgesetz, sondern auch ein modernes Arbeitszeitkonzept. Viele Frauen möchten mehr und viele Männer, besonders Väter, möchten weniger Stunden arbeiten. Wir Grünen wollen darum eine neue Vollzeit mit einem flexiblen Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Stunden etablieren. So würden Diskriminierung in der Teilzeit entgegengewirkt, beruflicher Aufstieg ermöglicht und auch die Lohnlücke langsam geschlossen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung, die Wirtschaft und auch die Tarifpartnerinnen und -partner sind jetzt dran, das umzusetzen. Ich frage die Frauenministerin, die heute leider nicht anwesend sein kann: Worauf warten Sie noch? Dass das Wetter schöner wird? Das wird nicht schöner; es ist November. Sie kündigen auf Konferenzen oder Podien immer vollmundig an, die Entgeltungleichheit beenden zu wollen. Die Süddeutsche vom 3. November schreibt zu Ihrem Verhalten – ich zitiere –:

Gut gebrüllt – nur leider war dann Schweigen im Walde. Bald zwei Jahre brütet die Familienministerin schon an einem Gesetzentwurf.

(Elke Ferner [SPD]: Wir haben schon mehr Gesetze umgesetzt als eins!)

– Ich sage ja nur, dass bis jetzt noch nichts vorliegt. – Wir Grüne unterstützen sie und auch die SPD gerne dabei. Sehen Sie unseren Antrag als echtes Angebot. Denn wir wollen Frauen wirksam den Rücken stärken. Das geht aus unserem Antrag auch deutlich hervor.

Die CDU/CSU will das offensichtlich nicht so eindeutig. Das Gezeter aus weiten Teilen der Union und auch der Wirtschaft tönt uns aus allen Ecken entgegen. Noch einmal einzuknicken wie beim Quötchen, um die Unternehmen nicht zu fordern: Was wäre das für ein Signal an Frauen?

Ich kann nur hoffen, Sie haben in der Großen Koalition die Zeit genutzt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der über den angekündigten Vorschlag hinausgeht. Denn eine Transparenzoffensive ohne Sanktionen bzw. erst für Unternehmen ab 500 Beschäftigten reicht nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frauen haben ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz verdient, das wirklich konsequent auf die gleichwertige und gerechte Bezahlung von Frauen umsteuert. Haben Sie also den Mut, effiziente Veränderungen für ein wirklich großes Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg zu bringen!

Vielen Dank.

Hier unser grüner Antrag zur Entgeltgleichheit: Frauen verdienen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit.

Hier meine Rede zum Anschauen: