Rede zum Kulturhaushalt 2016

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Ulle Schauws von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, wirklich jetzt die Gespräche für vier Minuten einzustellen. Das schafft jeder.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Dann können nämlich alle die Kollegin verstehen. Danach geht es zur namentlichen Abstimmung. – Sie haben das Wort.

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Kultur braucht eine solide finanzielle Grundlage. 1,4 Milliarden Euro für das kommende Jahr – das klingt zunächst gut, aber das Geld allein macht eben noch keine gute Kulturpolitik aus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Frau Kulturstaatsministerin, in Ihrer letzten Haushaltsrede haben Sie das Thema Flucht selbst in den Mittelpunkt gestellt: Kultur sei Brückenbauerin und Türöffnerin, die aktuelle Situation sei nicht nur eine politische, sondern vor allen Dingen auch eine kulturpolitische Herausforderung. – So weit, so gut. Einverstanden! Umso unverständlicher ist es aber, dass Sie unsere Initiativen für wichtige Projekte und Maßnahmen zur kulturellen Teilhabe von Geflüchteten abgelehnt haben. Notwendige zusätzliche Mittel für kurz und langfristige Projekte sind so auf der Strecke geblieben.

Vor allem fehlen auch Antworten auf die Frage: Wie ermöglichen wir, nachdem die erste Nothilfe geleistet ist, eine nachhaltige kulturelle Teilhabe für alle Geflüchteten,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

und zwar nicht nur für diejenigen, die aktuell zu uns kommen, sondern für alle, die viele Jahre oder sogar Jahrzehnte bei uns leben? Frau Grütters, hier fehlen mir entsprechende Konzepte und außerdem ausreichende Mittel aus Ihrem Haus. Hier reichen die zur Verfügung stehenden Mittel für die Kulturförderfonds allein nicht aus. Es braucht statt vieler schöner Worte vorausschauende Konzepte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Die von uns geforderte und längst überfällige finanzielle Stärkung der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren geht zwar in die richtige Richtung. Das ist aber nur ein erster, kleiner Schritt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Liste der fehlenden Taten und Antworten ist noch nicht zu Ende. Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hat bereits seit einem Jahr keine Direktorin bzw. keinen Direktor mehr. Aus dem Kreis der wissenschaftlichen Berater hagelt es Rücktritte. Anfang November erreichte uns die Nachricht, dass Professor Winfrid Halder nun doch nicht mehr für diesen Posten zur Verfügung steht.

Ich sage Ihnen: Gerade angesichts der aktuellen weltweiten Krisen und der Flüchtlingssituation – vor allem derjenigen, die nach Europa flüchten – ist es umso wichtiger, die Stiftung als Chance zu verstehen und die Aktualität ihres Themas zu erkennen. Gerade jetzt könnte die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ein wichtiger Ort des Dialogs und der Aufklärung sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür darf sie allerdings keine nationale Nabelschau betreiben, sondern muss Flucht und Vertreibung als universelles Phänomen verstehen. Erinnerung kann ein Schlüssel zu Empathie sein. Dafür braucht es allerdings eine ernstgemeinte konzeptionelle Aufstellung und keine Besetzungsquerelen, die Ihnen und Ihrem Haus wiederholt aus dem Ruder laufen, Frau Grütters.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hört ja nicht zu! – Gegenruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hört nie zu!)

Zu TTIP und dem wichtigen Schutz der kulturellen Vielfalt nur so viel: Wenn Sie schon zusammen mit Minister Gabriel ein Positionspapier zu TTIP verfassen, dann packen Sie es nicht mit Versprechungen voll, die nicht untermauert sind. Wir können erwarten, dass Sie sich mit Kommissarin Malmström abstimmen und uns hier keine Placebos vorsetzen. Hier brauchen wir endlich ein ernstgemeintes Handeln der gesamten Bundesregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zu guter Letzt haben Sie das Ende der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ verkündet, Frau Grütters; aber aufgeklärt ist noch längst nicht alles. Nur zwei Gemälde aus der umstrittenen Kunstsammlung konnten bislang ihren rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern zurückgegeben werden. In Hunderten Fällen ist die Recherche noch nicht abgeschlossen. Noch immer liegen der Taskforce zahlreiche Ansprüche von möglichen Besitzerinnen und Besitzern vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine verantwortungsvolle und vorausschauende Bundeskulturpolitik sieht anders aus. Viel verkünden, aber wenig planen – das müssen Sie ändern.

Vielen Dank.